Die neonatologische Versorgung erfordert häufig einen zuverlässigen Gefäßzugang zur Verabreichung von parenteraler Ernährung, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Therapien. Die modifizierte Seldinger-Technik (MST), in der Neonatologie auch als Mikro-Seldinger-Technik bekannt, hat sich als wertvolle Methode zur Platzierung neonataler peripher eingeführter zentralvenöser Katheter (PICCs) etabliert und bewältigt viele der Herausforderungen, die bei traditionellen Verfahren auftreten. Aktuelle Studien unterstreichen die potenziellen Vorteile der MST gegenüber herkömmlichen Techniken, darunter höhere Erfolgsraten, weniger Komplikationen und bessere Patientenergebnisse.
Vorteile der MST gegenüber traditionellen Techniken
Traditionelle Katheterisierungsverfahren wie die Split-Nadel-Technik (SNT) mit einer peelbaren Stahl- oder Kunststoffkanüle stoßen bei Neugeborenen aufgrund der Fragilität ihrer Blutgefäße oft an Grenzen. Wiederholte Platzierungsversuche erhöhen das Risiko von Venenverletzungen, Flüssigkeitsdiffusion oder frühzeitigem Verlust von venösen Ressourcen. Zudem können sie zu Komplikationen wie Katheterbeschädigungen führen, was weitere Eingriffe notwendig macht und sowohl den Stress und die Schmerzen der Patienten als auch die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals erhöht.
Die MST, eine Abwandlung der klassischen Seldinger-Technik, verwendet eine feine Punktionskanüle, einen flexiblen Führungsdraht/Guide, einen Dilatator und eine peelbare Schleuse mit Einführhilfe. Dieses Verfahren minimiert das Trauma an der Gefäßwand und ermöglicht das Einführen von Kathetern der Größen 1 bis 2 French selbst in kleinste, oberflächliche Venen. Die MST hat sich besonders bei empfindlichen Neugeborenen als überlegen erwiesen, da sie die Gefäßintegrität bewahrt und Erstversuche häufiger erfolgreich sind – ein entscheidender Vorteil bei sehr kleinen Frühgeborenen, bei denen jeder Gefäßzugang kostbar ist.

Mikro-Seldinger-Technik
Wichtige Ergebnisse aktueller Studien
Studie von Gibb et al. (2021)
Ein retrospektiver Vergleich der MST mit der SNT bei der Platzierung von PICCs zeigte eine höhere Erfolgsrate bei der MST sowie eine geringere Anzahl an Venenpunktionen. Die Verringerung der Punktionen führte zudem zu weniger Stress bei Frühgeborenen und somit zu einer verbesserten Gesamtversorgung.

Studie von Van Rens et al. (2024)
Eine über drei Jahre laufende Studie verglich MST mit konventionellen Techniken. Die Ergebnisse zeigten eine höhere Erfolgsrate bei der Kathetereinlage, eine Reduktion katheterbedingter Komplikationen, darunter eine signifikant geringere Inzidenz katheterassoziierter Blutstrominfektionen (CLABSI).
Die MST war mit weniger Therapieunterbrechungen und einem geringeren Katheterversagen verbunden, was ihre Wirksamkeit bei der Minimierung von Komplikationen und der Stressbelastung des Patienten unterstreicht. Durch die MST verbesserten sich die Arbeitsabläufe – mit abnehmender Komplexität der Prozedur und wachsendem Vertrauen des medizinischen Personals durch zunehmende Erfahrung.

Klinische Implikationen
Die MST stellt einen bedeutenden Fortschritt beim venösen Zugang in der Neonatologie dar. Durch die Reduktion von Punktionen und damit verbundenen Komplikationen verbessert MST die Versorgung von Neugeborenen, indem sie:
- Schmerzen und Stress bei Eingriffen minimiert,
- das Risiko für CLABSI und andere Infektionen senkt,
- venöse Zugänge für zukünftige Anwendungen schont,
- die Erfolgsrate beim Erstversuch erhöht – insbesondere bei schwer punktierbaren Neugeborenen bei denen herkömmliche Methoden häufig versagen. Neugeborene werden häufig auch als DIVA-Patienten bezeichnet (Difficult IntraVenous Access, d.h. Patienten mit schwer zugänglichen Venen)

Darüber hinaus trägt MST zur Effizienzsteigerung und Verbesserung des Patientenmanagements bei. Durch die Reduktion der Punktionsanzahl und damit verbundener Komplikationen wird weniger Zeit und Ressourcenaufwand für Wiederholungsversuche und Komplikationsmanagement benötigt. Dies erlaubt dem medizinischen Personal eine effektivere Zeitnutzung und verbessert die Gesamtqualität der Versorgung.
Empfehlungen und zukünftige Entwicklungen
Die Studienlage spricht klar für eine breitere Einführung der MST auf neonatologischen Intensivstationen (NICUs). Eine erfolgreiche Implementierung hängt jedoch ab von
- standardisierten Schulungsprogrammen zur Sicherstellung technischer Kompetenz,
- Verfügbarkeit von speziell für Neugeborene entwickelten Mikroseldinger-Einführbestecken,
- der Etablierung interdisziplinärer Teams für Gefäßzugänge zur Sicherstellung von Best-Practice-Verfahren und kontinuierlicher Qualitätsverbesserung (wie von Van Rens et al. aufgezeigt).
Die zukünftige Forschung sollte sich konzentrieren auf:
- randomisierte kontrollierte Studien zur weiteren Validierung der Vorteile der MST,
- Evaluierung von Kosten-Nutzen-Aspekten und langfristigen Auswirkungen auf die Gefäßgesundheit,
- Integration bildgebender Verfahren wie Ultraschall zur Erhöhung der Einführungsgenauigkeit,
- Untersuchung des Einflusses von Hygienebündeln und fortschrittlichen Techniken zur Kathetersicherung (z. B. Gewebekleber) in Kombination mit MST,
- Erweiterung des Einsatzes der MST bei extrem frühgeborenen Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht, bei denen der Handlungsspielraum besonders gering ist und traditionelle Techniken häufig scheitern.
Fazit
Die modifizierte Seldinger-Technik bietet einen sichereren und effektiveren Ansatz für die Katheterplatzierung bei Neugeborenen, da sie die Grenzen herkömmlicher Methoden überwindet. Mit verbesserten Erfolgsraten, geringeren Komplikationen und besseren Patientenergebnissen entwickelt sich MST zunehmend zum Goldstandard im neonatologischen Gefäßzugang. Eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung, Forschung und technologische Weiterentwicklung werden entscheidend sein, um das volle Potenzial auszuschöpfen.
Neben den unmittelbaren klinischen Vorteilen steht die Einführung der MST auch für ein umfassenderes Engagement zur Verbesserung der neonatologischen Versorgungsstandards. Durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Fachkräften, die Optimierung von Trainingsprogrammen und die Integration neuer Technologien kann die MST erhebliche Fortschritte im Gefäßzugang bei Neugeborenen bewirken.
Literaturverzeichnis
- Gibb JJ, MacLeod R, Mahoney L, Elanjikal Z. Modified Seldinger technique for neonatal epicutaneo-caval catheter insertion: A non-randomised retrospective study. J Vasc Access. 2023 Jul;24(4):780-785. doi: 10.1177/11297298211054637
- van Rens MFPT, Hugill K, van der Lee R, Francia ALV, van Loon FHJ, Bayoumi MAA. Comparing conventional and modified Seldinger techniques using a micro-insertion kit for PICC placement in neonates: a retrospective cohort study. Front Pediatr. 2024 May 2;12:1395395. doi: 10.3389/fped.2024.1395395
0 Kommentare